«Eine Verfassungsänderung hat ihren Preis»: entrevista en el Costa Blanca Nachrichten de 05.12.2008

(Entrevista con ocasión del 30º Aniversario de la Constitución Española, publicada en el Costa Blanca Nachrichten, nº 1303 de 05 de diciembre de 2008)

 
Carlos Flores Juberías ist Verfassungsrechtler an der Universität Valencia. Er hat sich mit der Möglichkeit oder Notwendigkeit auseinander gesetzt, die Verfassung zu modernisieren.
 

Señor Flores, kann die Verfassung von 1978 noch die Verfassung für 2008 sein?

Tatsächlich hat sich in 30 Jahren die Gesellschaft in einigen Aspekten verändert und es hat sich gezeigt, dass die Verfassung Schwachstellen hat, weshalb eine Modernisierung positiv wäre. Sie erwähnt mit keinem Wort die Europäische Union und verwendet viel Platz darauf, wie die autonomen Regionen gebildet werden sollen, die längst existieren. In der Beziehung ist sie veraltet. Aber, aber, aber: Wir dürfen nicht vergessen, eine Verfassungsänderung hat ihren Preis.

Welchen Preis?

Einen politischen. Es ist ein risikoreicher Prozess, der einen hohen Grad an Konsens und sehr genaue Formulierungen erfordert. Man weiß zwar, wann und wofür dieser Prozess eröffnet wird, aber nicht, wie er endet. Wenn wir ihn für technische Angleichungen öffnen, könnten wir uns in einer Situation wiederfinden, in der keine Einigung möglich ist. 1978 hatten wir das große Glück, dass ein breiter Konsens gefunden wurde. Es ist keineswegs damit zu rechnen, dass wir den jetzt wieder erreichen. Und wenn das nicht der Fall ist, würde dies die Verfassung entwerten.

Also hinkt die Verfassung der Wirklichkeit hinterher.

Das bedeutet nicht, dass sie schlecht ist. Sie funktioniert, es gibt kaum politische Probleme.

Im Titel 10 sieht die Verfassung selbst Änderungen vor.

Ja, natürlich, das ist unerlässlich. Sonst wird sie irgendwann von einer Revolution niedergetreten. Es gibt zwei Reformprozesse. Bei einfachen Änderungen ist eine Dreifünftelmehrheit in beiden Kammern nötig. Dies hat einmal stattgefunden, als 1992 das aktive und passive Wahlrecht von EU-Bürgern bei den Kommunalwahlen festgehalten wurde. Dabei sind nur zwei Wörter geändert worden.

Und komplexe Änderungen?

Darunter fallen die Grundprinzipien, die Staatsform und die Bürgerrechte. Hierzu ist eine Zweidrittelmehrheit von Kongress und Senat nötig, dann die Auflösung der Kammern und nach Neuwahlen erneut eine Zweidrittelmehrheit. Außerdem ein Referendum.

Ministerpräsident Rodríguez Zapatero hatte vor den Wahlen 2004 eine Verfassungsänderung angekündigt.

Die beiden großen Parteien wollten sie reformieren, beide haben die Idee begraben. 2004 hat Zapatero einen umfassenden Bericht für vier Änderungen in Auftrag gegeben, nichts ist geschehen. Der Grund ist vor allem die Angst vor den baskischen und katalanischen Nationalisten. 1978 hat Katalonien die Verfassung unterstützt, die Basken haben sich enthalten. Heute ist es unwahrscheinlich, dass eine Übereinkunft erreicht würde.

Die Nationalismen blockieren also eine Anpassung der Verfassung an die Gegenwart.

Das größte strukturelle politische Problem ist der Abschluss des Autonomiemodells. Es muss doch überraschen, dass 30 Jahre nach der Verfassung noch immer nicht feststeht, welches Modell wir verfolgen. Für die Nationalisten ist jede Übereinkunft nur ein Schritt zur Abspaltung. Und die ist mit der Verfassung nicht vereinbar.

In welchen Punkten ist die Verfassung noch reformbedürftig?

2004 ging es um vier Aspekte: die Thronfolge, bei der noch immer die Söhne bevorzugt werden. Ein rein symbolischer Akt, vorerst ohne Konsequenzen.

Die Monarchie selbst steht nicht zur Diskussion?

Nein, die republikanischen Kräfte sind eine kleine Minderheit. Zweiter Punkt war, die autonomen Regionen aufzunehmen, dritter ein Hinweis auf die Europäische Union, beide ebenfalls symbolischer Natur. Der vierte Aspekt jedoch ist sehr kontrovers: der Senat.

Da sind sich auch PP und PSOE nicht gerade einig.

Der Senat ist in der Verfassung unzureichend geregelt, hat keine eigene Identität und ist definitiv keine Länderkammer.

Zum 25. Jubiläum machte jemand den Vorschlag, alle paar Jahre zu prüfen, ob die Verfassung noch zeitgemäß sei.

Auf keinen Fall, das gibt es in keinem Land. Eine Verfassung hat kein Verfallsdatum.

Welche spanische Verfassung währte am längsten?

Die aktuelle. Rein chronologisch wäre es die von 1876, die bis 1931 in Kraft war. Aber die wurde häufig außer Kraft gesetzt, nicht respektiert.

Läuft die Verfassung nicht Gefahr, unzeitgemäß zu werden?

Ziehen wir es von der anderen Seite auf: Könnte jede Regierung die Verfassung an ihr politisches Konzept anpassen, wäre das keine gute Idee. Genau das ist im 19. Jahrhundert geschehen. 1978 ist es gelungen, diesen Teil der Geschichte zu überwinden. Eine neue Reform müsste dasselbe erreichen, und das ist derzeit schwierig. Die Gefahr, ihrer Zeit hinterher zu sein, besteht. Aber größer wäre die Gefahr, dass es eine Verfassung der PSOE oder der PP werden könnte.